WILLEM WEVER - TEIL 4

Stimmt’s?
Nutzlose Nippel???

FRAGMENT 01 In einer Diskussion wurde neulich behauptet, die Tatsache, dass Männer Brustwarzen haben, lasse darauf schließen, dass sie in der Frühzeit als Reservemütter dienen und Kinder stillen konnten. Stimmt’s? Dietrich Leisching, Gilching

FRAGMENT 02 Im Reich der Säugetiere sind die Geschlechterrollen klar verteilt: Es gibt keine Art, bei der der Vater die Kinder säugt. Auch bei unseren hominiden Vorfahren war das nicht üblich. Darwin hat in seinem berühmten Werk Die Entstehung der Arten anlässlich der Brustwarzen-Frage spekuliert, dass bei den allerersten Säugetieren beide Eltern den Nachwuchs mit Milch versorgt haben könnten - harte Daten gibt es zu dieser Spekulation allerdings nicht.

FRAGMENT 03 Dass Männer heute immer noch Brustwarzen haben, liegt daran, dass diese sich in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung bilden - zu einer Zeit, in der sich das Geschlecht des Embryos noch nicht ausgeprägt hat. Zwar wird bei jedem Menschen schon zum Zeitpunkt der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle festgelegt, ob aus ihm einmal ein Junge oder ein Mädchen wird; in den ersten Wochen aber verläuft die Entwicklung völlig gleich. Schon in Woche vier bilden sich die Brustwarzen, aber erst in Woche sieben beginnen die Geschlechtshormone zu wirken, die dann für eine Ausdifferenzierung der sexuellen Merkmale sorgen. Die männlichen Brustwarzen bleiben.


Quelle: stimmts@zeit.de. Das „Stimmt’s?“-Archiv: www.zeit.de/stimmts


Stabile Faktoren

FRAGMENT 04 Sonnencremes tragen kein Haltbarkeitsdatum. Stimmt es, dass man angebrochene Flaschen vom letzten Jahr nicht mehr benutzen sollte, weil sie keinen Schutz mehr bieten? Matthias Liss aus Stade.

FRAGMENT 05 Bei Kosmetika sind die gesetzlichen Regelungen zur Kennzeichnung relativ lax: Nur wenn sich Cremes und Lotionen nach der Herstellung weniger als 30 Monate in der ungeöffneten Packung halten, muss das vermerkt werden. Verbraucherverbände fordern daher seit Jahren den Aufdruck eines Haltbarkeitsdatums auf den Packungen.
Es muss aber niemand Angst haben, dass der Lichtschutz in einem Jahr rapide nachlässt. Es gibt zwei Sorten von Substanzen, die vor der schädlichen Wirkung der UV-Strahlen schützen: Beim physikalischen Schutz reflektieren winzige Partikel die Strahlen, und beim chemischen Schutz nehmen Moleküle die Energie der Strahlung in sich auf und geben sie als unschädliche Wärmestrahlung wieder ab. Beide Arten von Sonnenschutz sind chemisch recht stabil.
„Eine normale Kontamination mit Sand und Badewasser sollten die Substanzen aushalten“, sagt Heiner Gers-Barlag von der Firma Beiersdorf. Faustregel: Eine angebrochene Sonnencreme, die noch einen passablen Eindruck macht - also nicht ranzig riecht und ihre ursprüngliche Konsistenz hat -, kann man ohne Bedenken auch noch nach einem Jahr benutzen.
Christoph Drösser

Quelle: stimmts@zeit.de. Das „Stimmt’s?“-Archiv: www.zeit.de/stimmts


Zwangsbalsamierer

FRAGMENT 06 Viele Menschen bestehen darauf, sich regelmäßig die Lippen einzufetten. Stimmt es, dass die Talgdrüsen deshalb den Dienst quittieren und die Lippenbalsamierer abhängig werden von künstlichem Fett? Aron Eigner ausKiel.


FRAGMENT 07 Die Austrocknung der Lippen hat mit schlecht funktionierenden Talgdrüsen nichts zu tun, denn über die verfügen die Lippen gar nicht.

FRAGMENT 08 Es gibt tatsächlich eine Menge Menschen, die solche Stifte nicht nur in Ausnahmesituationen anwenden, sondern praktisch ständig. Ein Stift liegt griffbereit neben dem Bett, einer im Schreibtisch im Büro, einer in der Handtasche. Im Internet gibt es sogar eine Website Lip Balm Anonymous, analog zu den Anonymen Alkoholikern. Aber es gibt weder Anzeichen dafür, dass in den Lippenstiften psychisch abhängig machende Substanzen sind, noch dafür, dass die Lippen mit Balsamschicht schneller austrocknen als ohne. Die »Sucht« ist eher eine Gewöhnung an das angenehme Gefühl eingeschmierter Lippen. Wenn man es nicht tut, fehlt einem etwas - genauso wie bei der Gewöhnung an Hautcremes. Nach ein paar Tagen »Entzug« verschwindet dieses Gefühl. Andererseits sind vom übermäßigen Cremen auch keine Schäden zu erwarten, solange man Stifte mit möglichst wenigen Zusätzen (UV-Filter, Menthol) verwendet.
Christoph Drösser

Quelle: stimmts@zeit.de. Das „Stimmt’s?“-Archiv: www.zeit.de/stimmts

Der Film des Lebens
FRAGMENT 09 Sehen Menschen unmittelbar vor ihrem Tod noch einmal ihr bisheriges Leben im Zeitraffer vorüberziehen? Klaus Schanne aus Kirchheim.

FRAGMENT 10 Was Menschen unmittelbar vor dem Tod erleben, darüber gibt es naturgemäß keine Berichte. Allerdings erzählt etwa ein Drittel der Menschen, die dem Tod sozusagen in letzter Minute von der Schippe gesprungen sind, von so genannten Nahtod-Erfahrungen. Und dabei gibt es einige Elemente, die immer wieder auftauchen: der Blick durch einen Tunnel, an dessen Ende ein helles Licht leuchtet; das Gefühl, den eigenen Körper zu verlassen und von außen zu betrachten; und eben auch der »Film des Lebens«, der im Zeitraffer vor dem inneren Auge abläuft.


FRAGMENT 11 In jüngster Zeit haben Forscher begonnen, solche Nahtod-Erlebnisse systematisch zu analysieren. Der Psychiater Michael Schröter-Kunhardt etwa hat 230 Fälle untersucht, darunter auch viele, in denen die Menschen einen »Lebensfilm« sahen - der übrigens mal vorwärts abläuft und mal rückwärts. Der Neurologe Detlef Linke glaubt sogar, die Quelle für die Erinnerungsflut gefunden zu haben: Gewisse Rezeptoren im Hirn reagieren auf Sauerstoffmangel verstärkt und werfen das Retrokino an.

Christoph Drösser

Quelle: stimmts@zeit.de. Das „Stimmt’s?“-Archiv: www.zeit.de/stimmts


ENDE